Sonntag, 24. Juni 2012

Sonntagsbüdchen (40)


Mehr Retro geht kaum. Schallplatten (hups, die heißen ja jetzt Vinyls) und ein Röhrenfernseher auf einem Foto, das auf alt getrimmt ist.

Das heutige Büdchen stammt mal wieder aus Kalk. Hier können die zahlreichen Neu-Hipster im Veedel auch ihre SchallVinyl-Platten für wenig Geld kaufen. Wer Musik schätzt, hört ja wieder mit der Nadel (und ich gebe zu, dass ich auch einen Plattenspieler haben will!). Das wäre undenkbar gewesen, als die CD auf den Markt kam. Wer hätte Ende der 80er gedacht, dass es irgendwann wieder eine Rückkehr zu dem Tonträger mit den vielen Mängeln (Knacken, Platte wenden, unhandlich) geben wird.

Könnte sich heute jemand vorstellen, dass jemand freiwillig seinen Flachbildfernseher gegen ein Röhrengerät wie dem auf dem Bild zurücktauschen wird? Ich habe neulich noch einmal einen Film über Röhre gesehen und war schockiert wie stark gekrümmt das Bild dort ist. Ist uns früher nie aufgefallen und wird vielleicht in zehn Jahren als so hip gelten wie heute die Retro-Kameraeffekte, die ich hier im Blog benutze. (Und für die ich mich in zehn Jahren vielleicht schämen werde.)

Donnerstag, 21. Juni 2012

Hüpfburg-Kommunikation


Dieser Artikel aus der Aachener Zeitung, in dem es um eine regionale Verleih-Firma geht, die auf äußerst unverschämte Weise auf eine Anfrage von Abiturienten reagiert hat, hat eine rasante Verbreitung über soziale Netzwerke gefunden, die hier zusammengefasst wurde. So hat es der Artikel unter anderem zu diesen Nachrichten-Portalen geschafft.

Dass der Artikel inhaltlich für Menschen in sozialen Netzen interessant ist, verwundert kaum. Die meisten Facebooker sind wohl im Abi-Alter oder haben ihr Abitur erst vor kurzem gemacht und studieren jetzt. Oder sie können sich noch gut daran erinnern, wie es war, ein Abiturient zu sein. Will heißen: Der Artikel bietet eine hohe Identifikationsfläche für viele Menschen, die internetaffin sind.

Für Empörung sorgt der Artikel wohl vor allem, weil er die jungen Facebooker mit der Angst konfrontiert, keinen Job zu finden, Hartz IV-Empfänger zu werden und genau deswegen nicht ernst genommen zu werden. Die Angst, keinen Platz in der Gesellschaft zu finden, ist m.E. sehr weit verbreitet bei jungen Menschen, denen immer wieder schlechte Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, für die Rente und ihr eigenes Konto prognostiziert werden (und denen impliziert wird, unbedingt etwas Außergewöhnliches machen zu müssen).


Ich stelle zwei Thesen auf:

1. Der Artikel ist online von deutlich mehr Menschen gelesen worden als in der Print-Ausgabe.
2. Der Artikel wäre online von deutlich weniger Menschen gelesen worden, wenn er nicht in der Print-Ausgabe erschienen wäre.

Die meisten Leserinnen und Leser des Artikels hätten ihn wohl nicht wahrgenommen, wäre er ihnen über Facebook nicht zugespielt worden. In der Zeitung hätten sie ihn jedenfalls nicht entdeckt, da fast alle von ihnen (ich gehe immer noch davon aus, dass der Artikel in erster Linie von 20-35-Jährigen gepostet und verbreitet wurde) überhaupt keine Tageszeitung mehr lesen.

Aber ich glaube auch, dass er nur verbreitet wurde, weil über die Sache vorher in der Zeitung geschrieben wurde. Wäre nur über ihn gebloggt worden (etwa von einem der Abiturienten), hätte es vielleicht eine Empörungswelle unter den engsten Freunden gegeben, nicht aber quer durch Facebook hindurch zu vielen Leitmedien.

Indem die Zeitung (auf Papier) darüber geschrieben hat, hat das Anliegen der Abiturienten ein großes Gewicht bekommen. Die Zeitung schreibt, also nimmt sie die Schüler ernst und verhält sich so genau anders als der unverschämte Hüpfburg-Verleiher. Erst dadurch kommt ein Konfliktpotenzial in die Geschichte, das sie wirklich erzählenswert macht. Dass der Wortwechsel abgeduckt wurde, gibt den Schülern einen Rückenhalt, mit dem die Verleih-Firma nicht gerechnet hätte. Sie erlebt die Abiturienten plötzlich auf Augenhöhe und merkt, dass sie ihr schaden können. Dass sie also genau die Kompetenz haben, die sie ihr abgesprochen haben.

Wäre der Artikel nur online erschienen (in einem Blog), dann hätten wir die Geschichte von einem Abiturienten, der wütend ist, weil ihm frech geantwortet wurde. So haben wir die Geschichte von Abiturienten, die nicht ernst genommen werden, dann aber beweisen, dass sie ernst genommen werden MÜSSEN!

Ohne die Zeitung hätte die Geschichte kein Gewicht, ohne Facebook würde sie in der Zielgruppe nicht die nötige Aufmerksamkeit bekommen.

Dieser Post soll bitte nicht als Werbung für Print gelten. Ich gehe davon aus, dass die Verbreitung ähnlich rasant gelaufen wäre, wäre der Artikel nur auf az-web.de (der Homepage der Aachener Zeitung) erschienen.
Ich denke aber, dass eine Berichterstattung durch Journalisten nach wie vor einen sehr hohen gesellschaftlichen Stellenwert in der Gesellschaft hat und Geschichten aufwertet und ihnen (in den Augen der Leserinnen und Leser) Relevanz verleiht.

Professioneller Journalismus wird auch in Zukunft nicht durch "Hobby-Berichterstattung" ersetzt werden. Er wird allerdings nicht mehr wahrgenommen werden, wenn er nicht über die digitalen Wege kommuniziert wird. Beides wurde hier (im Kleinen) gezeigt.

Montag, 18. Juni 2012

Nachruf auf ein Kaufhaus

Am Samstag machte mit dem Kaufhof in Kalk das wohl letztes Kaufhaus in Köln seine Pforten zu, in dem sich meine verstorbene Oma noch wohl gefühlt hätte.

Der Kalker Kaufhof hatte überhaupt keine modernen "Arcaden-Style", was ihn charmant machte, wohl aber auch der Grund war, warum dort keiner mehr einkaufen ging. Das Kaufhaus hatte eher Wirtschafts-Wunder als Amerikanisierungs-Flair – das unterschied es von denen in der Innenstadt.

Es wurde nie modernisiert, jetzt ist es weg. Es wird wohl nicht wirklich vermisst werden, aber ein paar Erinnerungsfotos hat es verdient:

Sonntag, 17. Juni 2012

Sonntagsbüdchen (39)


Heute ein recht persönliches Büdchen, wieder aus dem Belgischen Viertel. Dieses ist das Büdchen, das meiner ersten Wohnung in Köln am nächsten ist. Die Wohnung wiederum befindet sich in dem roten Haus im Hintergrund . Damals war das Haus allerdings noch grün (und das Schaufenster des Büdchens war mit Asterix-Comics behängt, was sehr gallisch aussah, trotzdem keinen französischen Flair ins Veedel brachte).

Im Bild ist nicht nur etwas aus meiner Vergangenheit sondern auch etwas sehr Gegenwärtiges zu sehen - nämlich meine Freundin. Mit ihr wohne ich, wie ich wohl in diesem Blog schon einige Male erwähnte, heute in Köln Kalk. Und was ist der Unterschied zwischen dem Wohnen in Kalk und dem Wohnen im Belgischen? Behauptet man als Belgischer, man wohnt im hipsten Veedel der Stadt, wird man für cool gehalten, sagt man das als Kalker, wir man für nen Trottel gehalten. Aber als Kalker muss man wenigstens nicht nur behaupten, im hipsten Veedel zu wohnen. (Und französichen Flair haben wir in Kalk auch – es gibt einen Akkordeonspieler, der manchmal an der Kreuzung gegenüber auftaucht und dann sehr oft dieses Lied spielt. Allerdings nur den Refrain. Immer wieder und wieder und wieder...)

Sonntag, 10. Juni 2012

Sonntagsbüdchen (38)


Dieses Sonntagsbüdchen ist gleichzeitig ein Nachklapp zu meinen letzten Post. Ich habe das Foto während Le Bloc gemacht, weswegen die Menschen im Bild auch so jung und gut gekleidet... Na ja.

Der Kölnkiosk im Belgischen Viertel soll mit seinem naiv-verspielten und kuscheligen Look den modernen Hipster ansprechen. Büdchen sind ja eigentlich charmant, weil sie eher hässlich und pragmatisch als gemütlich sind. Aber in einer Lifestyle-Kultur, wo als hässlich verschrieene (und ursprünglich auch rein pragmatische) Hornbrillen zum neuen Chic werden, hat ein aufgestyltes Büdchen wohl seinen Platz.

Ich darf das gar nicht kritisieren. Denn erstens trage ich selbst eine Hipster-Horn-Brille und zweites erkläre ich durch dieses Blog ebenfalls Büdchen irgendwie zum Lifestyle. ABER ICH NENNE SIE BÜDCHEN UND NICHT KÖLNKIOSKE, ZUM COLAKRACHER NOCHMAL!!!

Montag, 4. Juni 2012

Spass un Freud in Kölle 1961-2012

Le Bloc ist ein Mode- und Design-Fest im Belgischen Viertel. Mode und Design – das klingt sehr nach Haute Couture und Sektgeschlürfe. Le Bloc 2012 an diesem Wochenende war stattdessen ein kunterbuntes Straßenfest, das leicht improvisiert und daher sehr charmant wirkte. So müssen Veedelsfeste in Köln aussehen! Keine Fressbuden, keine Karussells mit billiger Micky-Maus-Spraybemalung, keine Zehnjährigen, die ihre alten Duplo-Steine und Hanuta-Sammelkarten von 2006 verkaufen.

Musik, Kreativität und Lebensfreude.

Einen ähnlichen Spirit hatte wohl früher auch die Südstadt-Kirmes. Das wirkt jedenfalls auf mich so, wenn ich dieses wunderbare Fotobuch mit Bildern aus dem Jahr 1961 durchblättere. Ich finde, sie verschmelzen ganz wunderbar mit denen, die ich am Samstag im Belgischen gemacht habe:

 

Schwarzweiß-Fotos: Erik Schwarz, aus dem Buch "Kirmes Südstadt 1961", Egons Verlag

Sonntag, 3. Juni 2012

Sonntagsbüdchen (37)

Auch die Hafenstadt Münster hat schöne Büdchen Kioske.



Erfahrungsgemäß wirken sie genauso urig wie die Köln.

Aber in ihnen geht es weniger urig zu. Das heißt, es sitzen weniger schwadronierende Taxifahrer und Bauarbeiter darin (sowieso schwadronieren beide Berufsgruppen in Münster deutlich weniger als in Köln). 
Auch die Alternativszene tummelt sich nicht auf den Bürgersteigen vor den Büdchen Kiosken. Das liegt wohl daran, dass die Büdchen Kioske am Abend deutlich früher geschlossen haben als die Kioske Büdchen in Köln. Wer nach 23 Uhr in Münster eine Flasche Bier braucht, kann im Prinzip nur zu einer Aral-Tankstelle in Schlossnähe gehen, die daher "Die Blaue Lagune" genannt wird (und es wohl als einzige Tankstelle schaffen wird, bald zu einem Sonntagsbüdchen zu werden).