Freitag, 6. August 2010

Der Filmemacher des Jahrzehnts


Gesehen im: Cinedom, Köln, 31. Juli, 23.15 Uhr
Gesehen mit: Freundin und viel Schweiß, der in der längsten Warteschlange aller Zeiten vor Kino 4 entstanden ist
"(Inception) feels like it makes more sense than (quite possibly) it does."
-Roger Ebert

Das Zitat von Kritikerpapst Ebert bringt Christopher Nolans Inception ziemlich gut auf den Punkt. In dem Film, der zu großen Teilen in Traumwelten spielt, werden die Regeln von Träumen erklärt, ausgeführt und dann gebrochen. Jeder Traum funktioniert recht geradlinig, doch es schleicht sich immer stärker das Gefühl ein, dass die Regeln nicht immer gelten. Am Ende weiß der Zuschauer kaum, ob die Regeln überhaupt jemals gegolten haben oder ob der gesamte Film nur ein Traum ist, der eine geschlossene Dramaturgie nur behauptet.

Das klingt komplizierter als es beim Ansehen des Films erscheint. Und das ist seine Brillanz. Wenn wir träumen, akzeptieren wir die Logik des Traums. Erst wenn wir aufwachen, fallen uns die Ungereimtheiten auf. Dass Inception genauso funktioniert, macht den Film zu einem genial konstruierten Werk.


Es ist gut, dass der Film noch in diesem Jahr in die Kinos gekommen ist. So lässt sich Inception auch als Zusammenfassung des letzten Kinojahrzehnts lesen. Das zeichnete sich dadurch aus, dass sich zum ersten Mal in der Geschichte des Films alles zeigen ließ, was sich die Künstler vorstellen können. Die digitale Technik hat bisherige Grenzen des Darstellbaren aufgelöst. Was man sich vorstellen kann, lässt sich auch zeigen (wenn die Kohle stimmt). Oder: Was wir träumen können, können wir anderen zeigen.

Inception nimmt das wörtlich. Die Protagonisten des Films können alle an allem teilhaben lassen, was sie sich erträumen können. (Dass der Film dabei schnell viel Pulver verschießt und im letzten Akt weniger atemberaubend ist, als man anfangs erwarten kann, muss ihm leider angekreidet werden.) Die Filmhelden verlieren sich in ihren Träumen (und denen von anderen), sie werden süchtig danach oder verlaufen sich darin. Orientierungslosigkeit macht sich breit. Das ist Nolans Markenzeichen - und es passt perfekt zum Zeitgeist dieses Jahrzehnts.

Nolans Frühwerk Memento handelt davon, dass ein Mensch mit Amnesie sich jeden Tag neu orientieren und seinen Weg finden muss. In seinen Batman-Filmen ist auch der dunkle Ritter auf Sinnsuche und später hilflos angesichts der Unordnung, die sein Erzfeind Joker anrichtet. Einen klaren Weg finden Nolans Helden trotz aller Mühe nie. Vielleicht ist das auch der Kern unserer Welt, in der Kriege oft ohne klare Fronten geführt werden, in der die Wirtschaft durch hilflos zusammengeschnürte Finanzpakete stabilisiert werden muss und in der sich durch das Internet ein unüberschaubares Universum der Vernetzung aufgetan hat.

Ist es ein Zufall, dass ausgerechnet Nolan den erfolgreichsten Blockbuster gedreht hat, auf dessen Plakat eine bis dato unantastbare Figur der amerikansichen Pop-Kultur durch ein 9/11-Szenario überschattet und beinahe auch verspottet wird?

PS. Würde ich den letzten Jahrzehnten jeweils einen besonders prägenden Regisseur zuordnen, sähe meine Liste spontan so aus:

50er: Alfred Hitchcock

60er: François Truffaut

70er: Martin Scorsese

80er: Steven Spielberg

90er: Quentin Tarantino

Warum das so ist, erörtere ich ein anderes Mal. Dieser Blog ist geduldiger als Papier...

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