Dienstag, 28. September 2010

Zum Teufel mit Flanders!


Die 20. Staffel von den Simpsons ist jetzt auf DVD erschienen. Gleichzeitig ist es die Staffel, die den 20. Geburtstag der Familie feiert. Schon erstaunlich: Die Serie kam raus, als ich 10 war. Sie hat einen Teil meiner Kindheit begleitet, meine gesamte Pubertät und wird immer noch produziert, wenn ich fast 30 Jahre alt bin. Das heißt, ich gehöre zur ersten Generation Mensch, deren Alltag und Lebensrealität in einer Comic-Parallelwelt kontinuierlich parodiert und widergespiegelt wird.

Und obwohl die Serie lange nicht mehr so lustig wie am Anfang ist, wünsche ich mir fast, dass sie noch bis zu meinem Tod und darüber hinaus weiterproduziert wird. Denn ohne diesen Comic-Spiegel würde doch etwas für mich und meine Generation (und vielleicht auch für die Generationen danach) fehlen. 

Immer wenn ich mit Freunden zusammensitze - und es müssen nicht einmal immer die selben sein - werden mindestens einmal die Simpsons thematisiert. Das kann doch nicht nur an den guten Gags liegen, oder?


Vor ein paar Monaten habe ich mal meine persönliche Simpsons-Analyse für die Kölnische Rundschau aufgeschrieben. Da diese Zeitung aber nur von Generationen über meiner gelesen wird, halte ich es für klug, die Analyse in diesen Blog rüberzuretten:

Im und vor dem Fernseher

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Bei allen popkulturellen Anspielungen hat die Serie „Die Simpsons“ eigentlich nur eine zentrale Aussage: Das Fernsehgerät ist das Lagerfeuer von heute. Wie die Höhlenmenschen, die ihre Sippschaft ums Feuer versammelten, setzt sich die Sippe rund um Homer Simpson im Vorspann jeder Folge vor die Glotze. Wie die Zuschauer, die das mit ihren Familien tagtäglich tun, um dem gelben Wahnsinn in der fiktiven US-Kleinstadt Springfield zuzuschauen.
1989 waren die Simpsons zum ersten Mal im amerikanischen Fernsehen auf dem Sender Fox zu sehen - 1991 folgte die deutschsprachige Ausstrahlung im ZDF, seit 1994 sorgen fantastische Zuschauerzahlen dafür, dass der Privatsender Pro Sieben mit der Serie gute Quoten einfährt.

Tatsächlich spielt sich ein Großteil des Familienalltags bei den Simpsons rund um den Fernseher ab. Schon in der ersten Staffel buhlen die Kinder Lisa und Bart um die Gunst ihrer kleinen Schwester Maggie. „Wen von uns beiden hast du lieber?“ fragen sie - woraufhin das Baby den Fernseher umarmt. Auch Homer verbringt die Tage lieber vor der Glotze als bei der Arbeit im Atomkraftwerk oder in der Kirche.
Daneben reflektiert die Serie das Weltgeschehen und parodiert die moderne Kultur. Springfield ist die ganze Welt als kleines Dorf - hier treffen sich vom korrupten Politiker bis zum alkoholkranken Barbesucher alle Figuren, die für unsere Gesellschaft stehen.

Das Ganze wird vermengt mit Gastauftritten echter Stars wie Ringo Starr oder Jack Nicholson - wer es als Trickfigur in eine Simpsons-Episode schafft, hat die Garantie, dass er auch in der echten Welt eine wichtige Rolle spielt. Deshalb schauen Menschen auf der ganzen Welt so gerne zu: Die Simpsons erklären uns unseren Alltag und spiegeln unsere eigenen Sorgen wieder.
Immer wieder geht es darum, wie man es schafft, die Familie in schnelllebigen und unsicheren Zeiten zusammenzuhalten. Im Simpsons-Kinofilm von 2007 drohte die Familie gar zu zerbrechen - Homer und Marge standen kurz vor der Scheidung. Doch egal, wie schwer der Frieden im Hause Simpson gefährdet ist: Am Ende haben sich alle wieder lieb, weil sie sich auf die guten alten Werte besinnen.

Und die gibt s nicht im Fernseher, sondern im Glauben an die Familie und an Gott - die Simpsons sind wohl die letzte unspießige Fernsehfamilie, die noch regelmäßig in die Kirche geht. So vertritt die Serie auch nach 21 Staffeln und mehr als 440 Folgen eine wertkonservative Weltsicht, die durch all die Satire und Postmoderne immer wieder durchschimmert. Das unterscheidet sie etwa von der brachialen Comic-Serie „South Park“. Auch hier parodiert eine Kleinstadt die westliche Welt, doch auf moralische Leitwerte wird verzichtet. Die Kinder von South Park demontieren lustvoll die Welt, in der wir leben. Das tun die Simpsons auch, doch sie bieten anschließend immer einen Weg raus aus der Misere an.

Nach 20 Jahren sind die Simpsons fast nicht mehr zeitgemäß. Nicht nur die Klamotten von Bart und seinen Freunden sind 90er-Jahre-Stil: Auch der Fernseher der Simpsons ist mit seiner dicken Bildröhre und den Analogantennen nur noch schwer im Wohnzimmer vorstellbar. Andererseits wäre es ein Sakrileg, sollten Simpsons-Erfinder Matt Groening und seine Zeichner Homer und die anderen plötzlich vor einen Flachbildschirm setzen. Denn die Simpsons müssen immer so bleiben, wie sie sind. Wie wohl alles, was für die guten alten Werte in unserer Gesellschaft steht.

PS. Als ich den Artikel schrieb, war mir noch nicht klar, dass die Simpsons in der neuen Staffel tatsächlich einen Flachbildschirm bekommen. Aber der ist tatsächlich ein Sakrileg!

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