Mittwoch, 28. November 2012

Warum Argo 2013 den Oscar gewinnen wird


1. Argo behandelt ein komplexes Thema (iranische Revolution) ohne es zu simplizifieren und erzählt trotzdem eine unterhaltsame Story. (Die CIA befreit heimlich US-Bürger, die sich im Iran verstecken, indem sie vorgeben, eine B-Movie-Version von Star Wars im Iran zu drehen.)
2. Argo hat einen politischen Bezug zur heutigen Zeit, da Amerika mit dem Iran in Konflikt steht.
3. Argo eckt nicht zu sehr an und hat den nötigen Schuss Patriotismus. Der Film zeigt bei aller leisen Amerikakritik im Plot auch glückliche Familien, die sich vor wehenden Stars 'n Stripes Bannern herzen.
4. Argo hat mit Ben Affleck einen Regisseur, der vor wenigen Jahren noch so besungen wurde und heute nach drei Filmen als fabelhafter Filmemacher gilt. Somit wäre ein Regie-Oscar auch der Höhepunkt einer kleinen Heldengeschichte.
5. Argo ist schlichtweg hervorragend geschrieben, großartig inszeniert und absolut stilsicher. Einer der besten Filme des Jahres.

Montag, 19. November 2012

M steht nicht für Mutter

Ich nehme einmal an, das mittlerweile jeder, der Bond mag, Skyfall gesehen hat. Daher werde ich ohne schlechtes Gewissen diesen Text mit Spoilern spicken. Es wird nämlich endlich Zeit für eine Analyse des umstrittenen Film-Endes.


Fassen wir die grobe Handlung von Skyfall kurz zusammen: Bei einem Einsatz von Bond lässt M Moneypenny auf den kämpfenden Bond schießen, um einen Bösewicht zu stoppen. (Wer hätte vor 50 Jahren gedacht, dass ein solcher Satz einmal zu einer Bond-Inhaltsangabe gehören könnte...) Tot ist er nicht, er hat sich in eine einsame Heineken-Strandbar zurückgezogen, wo er schmollend erkennen muss, dass seine Arbeitgeberin M ihn für den Erfolg der Mission sterben lassen würde. Bond entschließt sich von den Toten zurückzukehren, als auf das MI6 in London ein Bombenanschlag verübt wird - seine Königinnen-Treue ist zu groß. Er zankt sich ein wenig mit M, bevor sie ihm erlaubt, den Fall zu untersuchen. Bei seinen Ermittlungen trifft Bond auf den Ex-Agenten Silva, der ein Joker-artiges Psycho-Spielchen mit Bond treibt. Silva wurde ebenfalls von M im Stich und dem Tod überlassen. Seitdem sinnt er auf Rache. Er will Bond klar machen, dass er ein wertloses Zahnrädchen in einem zynischen System ist. Doch als Silva M töten will, entschließt sich Bond, ihr zu helfen. Er holt das Auto seines 60er-Jahre-Alter-Egos Sean Connery aus der Garage und fährt mit M aufs Land hinaus - in das Anwesen "Skyfall", wo Bond aufwuchs und den Tod seiner Eltern mit ansehen musste. Doch Silva spürt Bond und M auf. Es kommt zu einem Kevin-Allein-Zuhaus-Finale, wo Bond und M die Handlanger des Bösen in improvisierte Fallen locken und Bond schließlich zulassen muss, wie sein Elternhaus und das schicke Auto von Sean Connery explodieren. Bond kann nicht verhindern, dass Silva M tödlich verwundet, aber er kann Silva töten. Anschließend stirbt M in Bonds Armen. Dem MI6-Agenten rinnen Tränen der Trauer über das Gesicht.


Sam Mendes hat mir Skyfall nicht nur einen der stilsichersten und schönsten Bonds der gesamten Reihe geschaffen (und dafür gesorgt, dass nach dem Totalausfall in "Quantum" wieder wirklich schöne Frauen am Start sind), der Film bedient auch ein Thema, dass den Briten sehr nahe geht. Ich habe den Film vor wenigen Wochen in London gesehen, wo in allen U-Bahn-Stationen und in jeder Kneipe gefordert wird, sich solidarisch mit den britischen Veteranen aus Afghanistan zu zeigen. Viele Briten tragen stolz rote Mohnblumen am Revers, die ihre Solidarität ausdrücken. Dies ist auch das Thema in Skyfall: Wie gehen wir mit denen um, die ihr Leben für unsere Sicherheit riskieren? Verlangen wir zuviel von ihnen? Zollen wir ihnen genug Respekt? Und fordern wir schlussendlich nicht von ihnen ein, ihre Menschlichkeit aufzugeben?

In den letzten beiden Bond-Filmen wurde analysiert, welches Verhältnis Bond zur heutigen Zeit hat. War er zu Connerys Zeiten noch der Lebemann ohne schlechtes Gewissen, der immer weiß, was richtig und was falsch ist, so wurde Bond ab "Casino Royale" zu einem zerrissenen von Schmerz getriebenen Menschen, der nur ein eiskalter Killer sein kann und Gefühle nicht zulassen darf.

In "Skyfall" geht es weniger um Bond und seinem Verhältnis zur Gesellschaft sondern darum, wie wir (also die Zuschauer/die Gesellschaft) zu Bond stehen. Der Film feiert ein Potpourrie der schönsten Bond-Klischees ab, serviert dabei mit Silva einen zeitgemäßen Gegenspieler und sorgt so für die richtige Mischung aus Nostagie-Trip und modernem Action-Thriller. Und dann kommt dieses seltsame Ende, das nicht in der großen weiten Welt sondern in einem unspektakulären Steinhaus in der Einöde spielt. Ein Ende, das mit Fallen und einer kämpfenden M albern wirkt. Ein Ende, in dem die Namen von Bonds Eltern genannt werden, was die Figur irgendwie entzaubert.

Dies sind die Gründe, die ich u.a. in Gesprächen von Leuten gehört habe, die versucht haben, zu erklären, warum sie das Ende nicht mochten. Ich glaube, das Ende würde auch mit "Kevin-Stolperfallen", einer kämpfenden M und Bonds Mami und Papi funktionieren, wenn es dramaturgisch richtig wäre. Denn es ist hier wie so oft, wenn viele Leute sich einig sind, dass in der Geschichte etwas schlecht ist: Die Dramaturgie ist falsch.

Der Fehler ist schnell erklärt, aber er ist äußerst gewichtig: Bond darf nicht trauern, wenn M stirbt. Er darf sie auch nicht so beschützen, als wäre sie seine Mutter - und genau das tut er im gesamten Finale des Films. Bonds Dilemma in "Skyfall" ist, dass er mit M hadert, da sie sehr kaltherzig sein Leben opfern würde. Das gehört zu ihrem Job, das muss sie völlig unemotional tun, sonst ist sie nicht professionell. Auftritt Silva: Wie es sich für einen gut ausgearbeiteten Antagonisten gehört, verkörpert er die dunkle Seite des Helden. Also das Böse, das der Held werden würde wenn er auf die teuflischen Stimmen in sich hören würde. Silvas Problem ist, dass er seine Emotionen nicht kontrollieren kann. Er ist unfähig, Ms Entscheidung ihn zu opfern, nicht persönlich zu nehmen. Daher ist er auf Rachefeldzug und schadet seinem Land, anstatt es zu schützen. Er ist das Gegenteil von Bond, der mit dem gleichen Problem zu kämpfen hatte, sich aber dann entschieden hat, als kämpfender Ritter nach England zurückzukehren - seinen Job also über seinen Zorn zu stellen.

Silva sieht in M eine Mutterfigur. Er unterstellt ihr, dass sie ihm bewusst schaden wollte, sieht also nicht mehr klar und wird darum gefährlich. Wie in einer griechischen Tragödie will er sich daher am Ende mit der "Mutter" gemeinsam töten. Und was tut Bond? Quasi genau dasselbe. Er trauert um M wie um eine Mutter, er beschützt sie wie eine Mutter. Er führt sie in das Haus seiner Kindheit und lebt ein paar Tage mit ihr zusammen - so als wäre sie seine Mutter.

Da sich Bond am Ende des Films psychologisch am gleichen Punkt befindet wie sein Gegner, ist er eigentlich zu seinem Gegner geworden. Das erzählt der Film so natürlich nicht, da Bond in der letzten Szene als rehabilitiert gilt und zurück in den Staatsdienst geht. Aber dramaturgisch gesehen ist Bond am Ende des Films näher an seinem Feind dran als davor. Und das bedeutet, dass er dann eigentlich nicht der Agent ist, der er sein sollte, um noch weiter für England zu dienen. M würde nicht wollen, dass Bond um sie trauert.