Sonntag, 27. November 2011

Die FSK mag's nur in der Missionarsstellung

Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft – das sind die, die glauben zu wissen, welche Filme man nicht angucken darf, damit sein Leben nicht auf die schiefe Bahn gerät (und damit wohl annehmen, Filme würden eher das Leben beeinflussen als das Leben die Filme) – hat sich als erschütternd homo- und transsexuellen-feindlich gezeigt.

Ihr erinnert euch vielleicht an meine Freundin Sabine, über die ich bereits Anfang des Jahres im Blog geschrieben habe. Mit ihrem Film "Romeos" war sie auf der Berlinale vertreten. In dem kleinen feinen Streifen (der nicht eine anrüchige oder brutale Szene enthält – jedenfalls nicht mehr als ein Film wie, sagen wir mal, "Keinohrhasen") geht es um einen Jungen, der einmal ein Mädchen war und sich in einen Jungen verliebt. Eine Liebesgeschichte, in der es um Gefühle geht. Wie fühlt man sich, wenn man verliebt ist? Und wie fühlt man sich, wenn man glaubt, im falschen Körper zu stecken?


"Romeos" kann jeder sehen. Und die meisten, die ihn sehen, werden durch den Film mehr Verständnis für Menschen bekommen, die sich so unwohl im eigenen Körper fühlen, dass sie eine Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen. Ab wie viel Jahren sollte man einen Film, in dem es um Gefühle und um eine Geschlechtsumwandlung geht, freigeben. Sabine hat beantragt, dass er ab 12 Jahren gesehen werden darf. Sehr verständlich. Keine anrüchigen oder brutalen Szenen, ein interessantes Thema, mit dem sich jeder Pubertierende beschäftigen sollte. Ein Thema, das in Schulen behandelt werde sollte. Denn: Wo sonst soll Verständnis und Toleranz für verschiedene Arten der Sexualität vermittelt werden.

Die FSK – ihr erinnert euch, das sind die, die uns durch verwirrende Filme nicht vom rechten Weg abbringen wollen – hat anders entschieden. Sie will den Film ab 16 freigeben, da sie glaubt, "Romeos" könne Jugendliche "desorientieren".
Damit beleidigt sie nicht nur die homo- und transsexuellen Menschen, deren Sexualität mit "desorientiert" ja quasi als "fehlgeleitet" oder (Sachen mer's doch mal auf jut Deutsch) "nicht normal" eingestuft wird. Das Urteil beleidigt auch alle Jugendlichen, denen unterstellt wird, sie seinen so unsicher, verwirrt und unmündig, dass sie über ihre Sexualität nicht frei bestimmen könnten und vor Filmen, die von sexuellen Minderheiten handeln, geschützt werden müssten.

Hier mal ein paar Schmankerl aus der FSK-Begründung:

"Der Film behandelt ein schwieriges Thema, welches für die Jüngsten der beantragten Altersgruppe, die sich in ihrer sexuellen Orientierungsphase befinden, sehr belastbar sein könnte."

"Die Schilderung einer völlig einseitigen Welt von Homosexualität im Film könnte hier zu einer Desorientierung in der sexuellen Selbstfindung führen."

"Die explizite Darstellung von schwulen und lesbischen Jugendlichen und deren häufige Partnerwechsel können verwirrend auf junge Zuschauer wirken."

"Der Film spiegelt eine verzerrte Realität wieder."

Ich glaube, die Zitate müssen nicht weiter kommentiert werden. (Auch wenn es bemerkenswert ist, dass "häufiger Partnerwechsel" auf junge Zuschauer irritierend wirken soll. Warum dürfen die denn dann Soaps gucken – das sind diese Serien, die in einer völlig unverzerrten Realität spielen. Vielleicht weil da meist nur die "normalen Heten" ihre Partner wechseln?)

Die FSK (Sachen mer's doch nochmal auf jut Deutsch) hat sich als homophob und absolut mittelalterlich entpuppt. Ich bin erschüttert, dass heutzutage in Deutschland ein solches Urteil noch möglich ist. Wenn eine Behörde, in der die wichtigsten gesellschaftlichen Instanzen des Landes vertreten sind, zu solch einem Schrieb fähig ist, dann sind wir leider viel weiter von einer gleichberechtigten Behandlung aller sexuellen Lebensweisen entfernt, als ich zu hoffen gewagt hatte.

Hier könnt ihr die FSK-Beurteilung komplett nachlesen.

6 Kommentare:

  1. Ich erinnere mich an "meine erste" Folge Verbotene Liebe, eine Dreiecksbeziehung zwischen zwei bisexuellen Männern und einer Frau. Wann fing das so 1995 nochmal an? 17:55? Und wer war da nichtmal 12? Also bitte?!

    AntwortenLöschen
  2. So ein Mist. Da kriegt man mit 11 Jahren so spannende Sachen zu sehen und hat dann Jahre später doch nur "normalen" Sex. Wieso haben die einen - wie versprochen - nicht desorientiert.

    AntwortenLöschen
  3. Ich dachte immer, dass FSK nur Brutalität und Sex berücksichtigt und nicht die Story. Und das mit der FREIWILLIGEN Selbstkontrolle ist ja eh ein Witz, da laut Gesetz Leute unter 16 den Film gar nicht sehen dürfen, also von wegen freiwillig...

    AntwortenLöschen
  4. Huhu Christoph.

    ich freue mich über einen weiteren Blogartikel zu diesem wirklich skandalösen Thema. Dass die FSK ein bisschen komisch ist war ja bekannt - aber so offen reaktionär und homo-/transfeindlich?
    Übrigens wüsste ich immer noch gerne, was denn bitte diese "völlig einseitige Schilderung von Homosexualität" sein soll. Das wird ja nicht näher ausgeführt. Unsereins denkt da ja schnell, es ginge darum, dass einfach zu viele "Freaks" gezeigt werden und zu wenig Heten - aber vielleicht meinen sie es ganz anders. Vielleicht finden sie ja nur, dass Homos (Trans*leute werden ja irgendwie gar nicht erwähnt) nur als zu nett/böse/cool/langweilig dargestellt werden ;)

    Was mich an deinem Eintrag etwas stört ist, dass du teilweise reichlich transfeindliche Sprache benutzt.
    "Geschlechtsumwandlung" wird von Trans*personen etc. nicht genutzt, da sie ihr Geschlecht ja nicht umwandeln (man kann dich ja auch nicht zur Frau machen, nur weil man dein Hirn in einen Frauenkörper pflanzt) - sondern nur ihr Äußeres dem Inneren anpassen. Deswegen benutzen manche Trans* nicht mal die Redewendung "im falschen Körper stecken", bzw. darin geboren worden zu sein, da sie finden, einen dem gefühlten Geschelcht entsprechenden Körper zu haben - der nur von anderen Menschen falsch "gelesen" wird. Ist ja klar, wenn ich ein Mann bin, so können daran auch ein paar Brüste nichts ändern. Der passende Begriff wäre also "Geschelchtsangleichung".
    Ferner fasst du Homo- und Transsexualität als Sexualität zusammen, auch wenn Trans* mit Sex nichts zu tun hat. Nur weil eine_r trans* ist, kann er/sie ja immer noch schwul, lesbisch, bi, asexuell, hetero, pansexuell, etc. sein.

    Ach ja: Warum Transphob, homophob etc. nicht benutzt werden sollten, da diese Worte ableistisch und nicht allzu genau sind, hat Kiturak hier zusammengefasst: http://kiturak.wordpress.com/2011/10/27/hass-ist-keine-geisteskrankheit/

    Mah, ich hoffe mein Beitrag klingt jetzt nicht total oberlehrer_innenhaft :(

    AntwortenLöschen
  5. @Jay “„Romeos“ – Getragen von der Kraft des Testosterons genießt der rebellische Lukas (21) etwas ganz besonderes: seine männliche Pubertät. Medizinisch eingeleitet, da Lukas eigentlich als Mädchen geboren wurde und sich nun als Transmann im Wechsel der Geschlechter befindet.”
    Quelle: http://sabine-bernardi.de/projekte (abgerufen am 3.12.2011)

    AntwortenLöschen
  6. Hi Jay,

    vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Und entshculdige, dass ich Begrifflichkeiten und Definitionen durcheinander geworfen habe, das war keine böse Absicht. Eigentlich beweist das auch, dass das Thema noch nicht in der Gesellschaft angekommen ist – wenn noch nicht einmal das richtige Vokabular wie selbstverständlich von jedem benutzt werden kann.

    Liebe Grüße
    Christoph

    AntwortenLöschen