Mittwoch, 21. Juli 2010

Perlen in und aus der Provinz (6)

Eigentlich ist das Wetter viel zu sonnig, um Gruselgeschichten zu erzählen. Doch in der Provinz-Blog-Serie darf auf keinen Fall die Anekdote vom Werwolf aus Bedburg fehlen. Ihr könnte euch den Post ja ausdrucken und beim nächsten Gewitter bei Kerzenschein lesen.

Im 16. Jahrhundert wurde der Bauer Peter Stump verurteilt, weil er im Raum Bedburg Männer, schwangere Frauen und Kinder getötet hatte. Außerdem hat er wohl seine Tochter und seine Schwester vergewaltigt. Das schlimmste aber war, dass er all das in Gestalt eines Wolfes getan hat.

Faszinierend, dass man im Mittelalter anscheinend Gewaltverbrecher erst mystifizieren musste, um sie hinzurichten. Aber auch nach Stumps Tod ging die Mystifizierung weiter. Flugblätter wurden verteilt, die über seine Hinrichtung informieren sollten. Und die lasen sich so:

Bey bedbur in dem selben land,
hab ich mich jn ein Wolff verwandt
mein leben ein Weil hingebracht
mit Zauberey Gott hab veracht

Dem bösen Ich mich Vbergeben
Vnd Vil genomen hab dats leben
Dan Ich dreyzehin Kinder klein
als Wolff zerissen hab allein

Zwo frawen vnd ein man dartzue
damit ich aber Kein Rhue
Dan Ich mein tochter auch beschlieff
Vnd sunst mit frawen hat geriff

Biß Ich den maister hanß zutheil
der mich mit Zangen schwert vnd beihl
also du siehst tractiert hat
Vnd mich gesetzt auf ein Rath

Wenn die Bild-Zeitung heute über Verbrechen berichtet, dann macht sie auch gerne Sex- oder Gewalt-Monster aus den Tätern. So weit ist das Mittelalter also manchmal gar nicht von unserer heutigen Berichterstattung entfernt. Aber immerhin hat man die Leute damals noch konsequent "vermonstert" - und auch viel poetischer.

Aber warum musste Stump in Augen der mittelalterlichen Justiz ausgerechnet ein Werwolf sein? In einer sehr freien und nach Amerika verlegten Romanversion der Bedburg-Werwolfsage wird Peter Stump (der im Roman Stumpf heißt) als psychisch kranker Mann dargestellt, der in seiner Zeit bei der Armee traumatisiert wurde.



In den Werwolffilmen, die mir einfallen, sind Werwölfe oft Leute, die den Tod eines geliebten Menschen nicht verkraften (etwa in American Werewolf oder im Klassiker The Wolf Man). Der Tote gibt dem Trauernden die Kraft, als Werwolf Rache zu üben - wobei sich der Trauernde dessen nicht bewusst ist und seine Verwandlung als Fluch erlebt. Er will den Fluch loswerden und somit am liebsten die Erinnerung an den Toten verdrängen. Das geht natürlich nicht gut, weswegen sich die Trauer in Wut verwandelt und der Verfluchte sich immer wieder in ein wildes Tier verwandelt. Werwölfe sind im Prinzip depressive Menschen. Besonders deutlich wird das in dem Film Wolf, wo Jack Nicholson einen Mann spielt, der wegen seiner Gutmütigkeit im Alltag scheitert, verzweifelt und zum Wolf wird. Beziehungsweise zum schizophrenen Mörder.

Wahrscheinlich konnte man den Leuten im Mittelalter eher deutlich machen, dass sich jemand verwandelt, als dass jemand psychisch krank ist.

Das ist aber nur eine unwissenschaftlich hergeleitete Theorie von mir. Wahrscheinlich war Peter Stump wirklich ein Werwolf. Wenn ich das nächste Mal nach Bedburg fahre, nehme ich sicherheitshalber Silberkugeln mit. Weiß jemand, wo ich die bekomme?

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